Gibt es hier wirklich Opfer und Täter?
Das Thema Narzissmus hat sich als Dauerbrenner in der gesamten Medienlandschaft etabliert. Überall scheint es von sog. Narzissten zu wimmeln. Der Begriff und die Bezeichnungen der damit verbundenen Eigenschaften und Verhaltensweisen, etwa das sog. lovebombing und gaslighting haben den Status von Modewörtern erreicht, die im inflationären Umfang herangezogen werden, um unliebsame Erlebnisse vor allem mit Männern zu ächten und zu verurteilen.
Hintergründig hat sich die Vorstellung durchgesetzt, dass die sog. Narzissten einen gewissen, geringen Anteil der Bevölkerung ausmachen und der Rest der Bevölkerung ihnen mehr oder minder schutzlos ausgeliefert sei. Man könne sich ihrem schädlichen Wirken einzig und allein dadurch entziehen, dass man sie erkennt, entlarvt und sich von ihnen distanziert.
Das Begriffswort geht auf den altgriechischen Mythos von Narziss zurück, welcher sich in sein eigenes Spiegelbild verliebte und infolgedessen in einem Gewässer ertrank.
Der prototypische Narzisst wird durch folgende Eigenschaften und Verhaltensmuster charakterisiert:
- ein stark eingeschränktes bis nicht vorhandenes Einfühlungsvermögen
- zwischenmenschliche Beziehungen dienen dem ausschließlichen Zweck, Anerkennung zu erhalten
- keinerlei Wertschätzung für andere Individuen, deren Eigenschaften und Beiträge
- Überhöhung der eigenen Kompetenz
- Abwertung der Wahrnehmung anderer ( „gaslighting“)
- Übermäßige Zuwendung zu anderen ausschließlich in Anfangsphasen von Beziehungen („lovebombing“)
- Übt Macht über Erzeugung geglaubter Abhängigkeit aus
Als Gegenspieler der Narzissten werden gemeinhin die sog. Empathen angeführt. Bei diesen handle es sich um besonders einfühlsame und selbstreflexive Individuen, welche aufgrund dieser Eigenschaften besonders gefährdet seien, einem Narzissten zu Opfer zu fallen.
Der prototypische Empath zeichnet sich durch folgende Eigenschaften und Verhaltensweisen aus:
- stark ausgeprägtes Einfühlungsvermögen („hochsensibel“)
- Identifikation mit den Gefühlen anderer
- übermäßige Bescheidenheit
- hinterfragt die eigene Wahrnehmung in übersteigertem Maße, dadurch leicht manipulierbar
- übermäßige Zuwendung zu anderen
- (scheinbare) Selbstlosigkeit
- Unfähigkeit sich abzugrenzen
Ferner ist mancherorts die Rede von sog. verdeckten Narzissten. Hierbei handle es sich um als Empathen getarnte Narzissten, die deshalb als solche nicht ohne weiteres zu erkennen seien.
Doch gibt es wirklich eine wohlabgegrenzte Bevölkerungsgruppe der Narzissten? Und sind Empathen wirklich ihre hilflosen Opfer?
Unten stehende Tabelle stellt die komplementären Eigenschaften von Narzissten und Empathen gegenüber und die möglicherweise in der Tiefe wirkenden verbindenden Beweggründe heraus. Wir möchten Dich dazu einladen, diese Gegenüberstellung auf Dich wirken zu lassen.
Ist der Empath vielleicht im selben Umfang Täter und der Narzisst gleichermaßen Opfer?
Kann es sein, dass es sich vielmehr um ein Interaktions- bzw. Beziehungsmuster handelt, denn um zwei gegensätzliche Charaktertypen?
Könnte es sich um zwei scheinbar gegensätzliche Ausdrucksformen desselben Motivs handeln?
Ist vielleicht JEDER sog. Empath ein verdeckter Narzisst?